Dominikanischer Eifer
Der Grund für den heiligen Dominikus (1170 – 1221), seinen Status als Regularkanoniker aufzugeben und Wanderprediger zu werden, später sogar einen Orden zu gründen, der sich der Predigt verschrieb (deshalb das Ordenskürzel OP – für Ordo fratrum Predicatorum), war sein Eifer für das Heil der Seelen.
Als der große Ordensgründer lebte, gab es vor allem in Südfrankreich die heterodoxe Bewegung der Katharer, nach ihrer Hochburg Albi auch Albigenser genannt, die weite Teile der katholischen Bevölkerung in ihren Bann zog. Dabei waren die Katharer eine sehr strenge Sekte, die einen rigorosen (vgl. gr. katharós – dt. „rein“) und unbarmherzigen Glauben predigten, dessen Höchststufe zu erlangen nur dem kleinen Kreis der perfecti, der Vollkommenen, vorbehalten war. Der heilige Dominikus erkannte nun einen ganz entscheidenden Punkt, der zugleich auch den Schlüssel zum richtigen Umgang mit diesem Problem beinhaltete: er erkannte, dass die Katharer trotz ihres Irrens den katholischen Geistlichen der damaligen Zeit in einigen Punkten überlegen waren: So lebten die Katharer vorbildhaft in asketischer Armut, während im Klerus weithin eine Anhänglichkeit an materielle Annehmlichkeiten herrschte.
Die Feuerprobe der Entsagung wurde also fatalerweise gerade von denen erbracht, die die gesunde Lehre nicht vertraten, während es sich die Vertreter der Rechtgläubigkeit in ihrem Status quo nur allzu bequem machten. Mangel an Eifer aus einer falschen Selbstzufriedenheit heraus, ist das unserem Glaubensleben heute völlig fremd? Pater Niklaus Pfluger konstatiert: „Wir haben ja alles, unser Priorat, unsere Grundschule, unsere Gemeinde, unseren Bischof, was wollen wir mehr? Gläubige sind oft auch kulturell konservative Menschen, die wollen einfach keine Veränderung. Deshalb sind wir ja auch nicht so missionarisch, wie wir sein könnten; weil wir eben neue Leute – mit anderen Ideen und Erfahrungen − nicht wirklich willkommen heißen, denn ein Gemeindewachstum ist ja immer eine Veränderung.“ Auch der Klerus des 12. und 13. Jahrhunderts hätte formal die Rechtgläubigkeit nicht verlassen, wenn er lediglich darauf beharrt hätte, dass die Katharer nun einmal eine Irrlehre verbreiteten und man selbst die Wahrheitsgüter verwalte – aber, und dies hat der heilige Dominikus beherzigt, man soll eben nicht auf seinen Talenten sitzen bleiben, sondern mit ihnen wuchern! Selbstgefälligkeit ist auch immer Ausdruck einer geistigen Trägheit. Der heilige Dominikus bestand deshalb nicht zu Unrecht auf der intellektuellen Formung seiner Ordensmitglieder, wofür der große Thomas von Aquin, seines Zeichens Dominikaner, das beste Beispiel ist.
Auch dies soll unserer Frömmigkeit heute als Vorbild dienen – wie viele von uns sind in den Gebieten der Technik, der Software oder der Mode ganz vorne dabei, in der theologischen Befähigung aber mit religiöser Bildung nach dem Firmunterricht, als man das letzte Mal vom Pater abgefragt wurde, stehen geblieben? Es ist dringend nötig, dass wir für unsere persönliche Frömmigkeit mehr Brennstoff, das heißt mehr theologisches Wissen auftanken! Und schließlich wendete sich der heilige Dominikus, auch dies hat er bei den Katharern „abgeschaut“, dem einfachen Volk zu, jenen Menschen also, die man lediglich sakramental „versorgt“ hatte, ohne ihnen den Glauben umfassend darzulegen.
Das Mitteilen unseres Glaubens durch ein geschicktes und einladendes Apostolat soll auch Teil unserer Spiritualität sein. Mit dem heiligen Dominikus sollten auch wir uns nicht zu schade sein, unser bisheriges Tun auf diesem Gebiet zu hinterfragen und uns gegebenenfalls dort methodisch etwas abzuschauen, wo Dinge besser funktionieren und begeisternder ablaufen. Beispielsweise darf man ruhig zugeben, dass die Jugendarbeit in evangelikalen Gemeinden in der Regel erfolgreicher ist als in unseren Reihen, dass die jungen Menschen dort überzeugter von ihrem Glauben sind, dass sie ihn besser erklären können und dass mehr Außenstehende angesprochen werden, als das bei uns der Fall ist. Wenn nun die KJB, wie etwa beim Christkönigstreffen 2013 in Stuttgart, dem auch evangelikale Treffen als Vorbild in Ablauf, Methodik und Kommunikation dienten, gewisse gelingende Punkte hier übernimmt, wird sie dadurch genauso wenig protestantisch, wie der heilige Dominikus durch die Übernahme methodischer Punkte aus der Agenda der Katharer (Armut, intensive Predigt) katharisch wurde.
Im oben erwähnten Interview wurden die Punkte der zeitgemäßen und klugen Weitergabe unserer Anliegen ebenfalls erwähnt, vor einem bewegungslosen Beharren in den Gewohnheiten vergangener Zeiten jedoch gewarnt: „Ist es nicht ein wenig so: was der Routine des 19. oder 20. Jahrhunderts widerspricht, ist schnell mal ‚modernistisch‘, ‚liberal‘, ‚freimaurerisch‘? Eine solche, falsch verstandene Tradition ist nicht attraktiv, kann nicht überzeugen. Genauso wenig, wie es genügen kann, die Kirche nach dem Bild der 50er Jahre aufzubauen oder stereotyp die Argumente der 70er zu wiederholen. Da ist viel Formung und Aufklärung nötig; Klugheit und Unterscheidungsgabe tun Not; mit Klischees und Schnellschüssen ist da kein Staat zu machen; es gilt, den großen Reichtum der Tradition und der Christenheit zu entdecken und frei zu graben. Manchmal denke ich, wenn uns das in den nächsten Jahren nicht wirklich gelingt, dann wird es sehr schwierig, die Tradition überzeugend weiter zu vermitteln.“
Dominikanische Spiritualität in einem Satz: Angetrieben vom Eifer für das Heil der Seelen steht die Liebe zu den Glaubenswahrheiten, ihre intellektuelle Durchdringung und schließlich ihre zeitgemäße Vermittlung im Zentrum des Bemühens.
So können wir sie für uns fruchtbar machen: Durch die Aneignung von theologischem und apologetischem Wissen (Selbststudium), durch Einladungen an Bekannte zu passenden Veranstaltungen / Treffen, durch die Mitarbeit in KJB-Projektgruppen, die unsere Bewegung fit machen für ein effektives Wirken sowohl nach innen (Stärkung der Mitglieder im Glauben) als auch nach außen (einladendes Apostolat, keine Außenwirkung wie die Zeugen Jehovas!).